Fort-de-France schmiegt sich zwischen grüne Hügel. Ein schönes Panorama bietet sich vom Meer aus, nicht nur für Passagier von Kreuzfahrtschiffen. Mit Personenschnellfähren gibt es regelmäßige Verbindungen, beispielsweise zur Anse Mitan in Les Trois Ilets.
von Petra Sparrer
An der einen Seite die wehrhaften Mauern des Forts im Stil von Vauban, dem Festungsbaumeister Ludwig des XIV., an der anderen der moderne Büroturm Tour Lumina im Geschäftsviertel Pointe Simon, benannt nach der jungen Anführerin eines Sklavenaufstands von 1870. Beide Gebäude heben sich markant aus der Skyline vor den grünen Gipfeln der zerklüfteten Gebirgskette der Pitons du Carbet hervor.
Wie in Havanna auf Kuba heißt die breite Meerespromenade von Fort-de-France Malecon. Zu Fuß sind die schachbrettartigen schmalen Straßen der Innenstadt schnell erreicht. Die City der 100 000-Einwohner-Stadt ist überschaubar, viele Häuser und Wohnungen verteilen sich in den Weiten des hügeligen Stadtrands.
Matrosenhut mit Pompon
Von einem Plateau hoch oben leuchtet die Silhouette der Chapelle Le Calvaire. Die kleine Kirche ist an Karfreitag Ziel einer Wallfahrt, manch einer rutscht den Kalvarienberg bis heute auf Knien hinauf. An Karneval präsentiert sich Fort de France Anfang des Jahres dafür so bunt und lebensfroh wie in Rio.
Als bester Aussichtspunkt und gilt die Terrasse in der 1. Etage des Hôtel l´Impératrice an der Rue de la Liberté. Hier kommen alle Karnevalsgruppen und Kombos vorbei. Sie ziehen rund um den großen Park La Savanne zum Fort und über den Malecon. Fort-de-France ist eine Hochburg des karibischen Karnevals. Jedes Jahr komponieren die Karnevalisten neue Lieder mit schrägen Untertönen zu Politik, Gesellschaft und kuriosen Begebenheiten. Kölnern etwa wird das Procedere vertraut vorkommen.
Joséphine, der Name des Restaurants, erinnert an die Ehefrau Napoléons. Die spätere französische Kaiserin kam 1763 in Les Trois Ilets auf Martinique zur Welt. Auf dem Gelände der Zuckerrohrfabrik ihrer Eltern erinnert das Museum La Pagerie an sie. Marie Josèphe Rose de Tascher de la Pagerie hat ihren Namen de Beauharnais aus ihrer ersten Ehe, doch ihr erster Mann wurde guillotiniert.
Ihrer Statue im Parc de la Savanne hackten Vandalen in den 1990er-Jahren den Kopf ab und bespritzen sie mit roter Farbe. Beliebt ist sie nicht, schiebt man ihr doch für die Wiedereinführung der Sklaverei durch ihren Gatten Napoleon die Schuld zu, waren doch ihre Eltern Plantagenbesitzer.
Ema Potiron, die für das Fremdenverkehrsamt Führung durch das Fort Louis macht, liebt Frauengeschichten – und sie erzählt sie auch gern. Sie hat ein paar Jahre in der Bretagne gelebt und weiß noch von dort: „Wenn eine Frau den roten Bommel auf der Mütze eines Matrosen berührt, wird ihre Ehe später einmal glücklich.“
Der Matrosenhut mit Pompon zählt zu den Details der Fotoausstellung der Festung von Fort-de-France. Das Fort ist ein Stützpunkt der französischen Marine. Einen Bereich mit traumhafter Aussicht zu beiden Seiten vermietet sie für Events. Die Location ist bei den Martinquais für Hochzeiten beliebt.
Tour Lumina – Höhenflug einer langen Geschichte
Der herrliche Blick reicht über den Palmenstrand zum Meer, über die großzügige Palmenallee, über die die Autos am Malecon entlangrollen und über die Dächer der Stadt zur Kirchturmspitze. Ema Potiron zeigt in Richtung Tour Lumina. Der mit 105,5 m höchste Turm der Kleinen Antillen mit 21 Etagen, fertiggestellt 2019 und Symbol der Modernisierung der Meeresseite der Stadt, ist nach einer Aktivistin gegen Rassismus und Ausbeutung benannt. „Lumina Sophie war 1870 im zweiten Monat schwanger, als sie eine soziale Revolte anführte.“
Mit Pfeffer und brennenden Petroleumlampen griffen zunächst empörte Frauen Großlandwirte auf ihren Plantagen an. Auslöser für die Revolte gab ein zu Unrecht verurteilter schwarzer Matrose. Zudem rumorte es in der Inselbevölkerung, seit 1635 französisch kolonisiert, als auch dort die 3. Republik ausgerufen wurde. Nach dem deutsch-französischen Krieg war auf dem französischen Festland die Pariser Kommune niedergeschlagen worden. Mit der Proklamation der 3. Republik waren die Zeiten von Kaisern und Königen vorbei. „Ein Hoch auf die Preußen“, riefen die Aufständischen auf Martinique.
Frankreichs Festung in der Karibik
Sophie Lumina wurde am 5. November 1848 fünf Monate nach der Abschaffung der Sklaverei in Le Vauclin geboren. „Über 22 Jahre später brach die Revolte aus, für die sie am Ende mit ihrem Leben bezahlen musste,“ ordnet Ema die Geschehnisse zeitlich ein. Nicht nur Martiniques Feministinnen kennen den Namen der Frau, die so tapfer für die Rechte der Unterdrückten kämpfte: Marie-Philomène Roptus alias „Surprise“.
Ihre harte Strafe machte sie zur Märtyrerin und ihr Name steht für die Bekämpfung von Rassismus, ein bis heute aktuelles Thema. Ein Foto von sich als Guide in der Festung möchte Ema Potiron aber nicht mit der urbanen Kulisse des modernen Turms im Hintergrund. Lieber stellt sie sich auf die mit der bergigen Kulisse und dem Grün der Regenwälder im Hintergrund. „Mein Herz schlägt für Natur und Ökologie“, lächelt sie.
Und was tun die Soldaten der französische Marine des Forts heutzutage? Klar, sie durchstreifen mit durch Schiffen die Küstengewässer bis zum Golf von Mexiko. Sicherheitshalber. Auch versuchen sie, einen Beitrag im Kampf gegen den Drogenhandel aus Südamerika zu leisten, indem sie möglicherweise selbst gebaute U-Boote der Drogenmafia lokalisieren.
„Zum Artenschutz tragen sie ebenfalls bei“, ergänzt Ema. Einige bekommen eine spezifische Ausbildung, damit sie die vom Aussterben bedrohte Leguanart Iguana delicatissima (Grüner Inselleguan) von der Art Iguana Iguana unterscheiden können. Ihre Mission: Zu verhindern, dass sich die beiden Arten nicht vermischen, denn dann kann sich die höchst seltene Leguanart, die nur auf den Kleinen Antillen existiert, nicht mehr fortpflanzen. Also eliminieren sie die falschen Leguane.
Rum – in der Karibik schlachtentscheidend
Von den Schlachten, die sich auf dem Fort zugetragen haben, steht die sogenannte Bataille du Rhum – „Rumschlacht“ – auf der Liste der Erzähler ganz oben. Sie trug sich zu, nachdem Colbert, Minister Ludwigs XIV., im Jahr 1670 ausländischen Mächten den Handel mit den Antillen verboten hatte. Der Ausbau des Forts war seither schneller vorangetrieben worden. Im Krieg zwischen Frankreich und Holland griff 1674 eine holländische Armada Martinique an.
150 Männer auf dem Fort sahen sich einer Übermacht von über 40 feindlichen Schiffen mit rund 3000 Männern gegenüber. Mithilfe ihrer 13 Kanonen schafften sie zunächst, sie erst einmal abzuwehren. In der Nacht, als sich die Soldaten unten in der Stadt ausruhen wollten, beschlossen sie aber, aufzugeben. Den Ausgang der Schlacht entschied dieses Mal, so heißt es, der Tafia – der in den Bars in der Savanne an die Holländer ausgeschenkte Rum. Da schlug ein rumpelnder Lärm oben im Fort, wo die Soldaten ihren Rückzug vorbereiteten, die Betrunkenen in die Flucht.
Ob das so stimmt? Erst Père Labat taufte das Geschehene im Nachhinein „Rumschlacht“. „Auf Martinique wurde der Champagner zum Rum“, witzelt Ema. Letztendlich begannen die Ordensbrüder, die scharenweise als Missionare aus Frankreich gekommen waren, auf Martinique aus Zuckerrohr Schnaps zu brennen.
Der Dominikaner Père Labat war einer von ihnen. Auf seiner Plantage ließ der Missionar Sklaven Zuckerrohr anbauen und Rum brennen. Ausgerechnet er veränderte im Jahr 1722 den Herstellungsprozess. Statt Melasse destillierte er den frisch gepressten Zuckerrohrsaft. Dies gilt als die Geburtsstunde des rhum agricole („landwirtschaftlich hergestellter Rum“). „Wieder zurück in Europa schrieb der weit herumgekommene Pater Reiseberichte, aus denen auch Teile der Geschichte des Forts Louis bekannt sind,“ fügt Ema hinzu.
Eine erdbebensichere Kathedrale
Die Zeit der Seeschlachten hält Ema für zum Glück passé, aber die Natur hat trotz moderner Überwachungs- und Warnsysteme nichts von ihrer Macht eingebüßt. Erdbeben und Zyklone können das Schicksal der Bewohner der Insel mit dem aktivem Stratovulkan Montagne Pelée noch immer unglücklich beeinflussen. Angesichts solch mächtiger Kräfte sind vielleicht deshalb noch viele Menschen hier sehr gläubig. Fenster und Türen der Kirchen auf der Insel stehen von morgens bis abends weit offen, auch damit eine Brise von draußen sie als Orte der Ruhe und Andacht angenehm temperiert.
In der Cathédrale Saint-Louis, Bischofskirche des Erzbistums Saint-Pierre und Fort-de-France, kommt man sich ein wenig wie in einer künstlerisch dekorierten, historischen Bahnhofshalle vor. Erdbeben, Tsunamis, Zyklone und Großbrände zerstörten die Vorgängerbauten immer wieder. Die heutige dreischiffige Kirche des französischen Architekten Pierre-Henry Picq, die mit ihren Stahlsäulen an den Stil eines Gustave Eiffel erinnert, ist stabiler.
Die Teile des Metallskelettbau in Fertigbauweise kamen per Schiff aus Frankreich. Sie trotzen Feuer und Erdbeben. Von außen Art-déco-Elemente, von innen Rundbogenarkaden und ein ägyptisch-byzantinischer Stil. Die verbleiten Buntglasfenster zeigen neben Bibel- und Heiligenszenen auch die ein oder andere heimische Pflanze. Nach vielen Restaurierungsmaßnahmen bekam die kleine Kathedrale zuletzt 2006 eine neue Turmspitze aus Metall. Einen schönen Blick über den Vorplatz zum Meer bietet die Terrasse des in Fort-de-France recht klein und überschaubar ausgefallenen Kaufhauses der Kette Galeries Lafayette. Sie fungiert manchmal auch Veranstaltungsort mit einer Bühne für Bands.
Bibliothek Schoelcher, Art-déco aus Paris
Vom Architekten Pierre-Henry Picq stammt auch der Entwurf für die Bibliothek Schoelcher, ein Art-déco-Schmuckstück. Sie wurde für die Weltausstellung in Paris 1886/87 im Jardin des Tuileries gebaut und später nach Fort-de-France verschifft. Dort konnte sie erst Jahre später eröffnet werden. Gerichtliche Auseinandersetzung mit dem Bauunternehmen, ein Großbrand und ein Zyklon 1890/91 stellten erhebliche Hindernisse dar. Heute erstrahlt sie glanzvoll und neugierige Besucher können sich ungestört umsehen und den historischen Lesesaal mit pyramidenartigem Dach aus Eisen und Stahl und bemalter Kassettendecke bewundern.
Von Anfang an war die schmucke Bibliothek für die Büchersammlung ihres Namensgebers vorgesehen. Victor Schoelcher galt Mitte des 19. Jahrhunderts als Vertreter der Abolitionisten, die sich in Frankreich für die Abschaffung der Sklaverei einsetzen. Der Abgeordnete der Insel in der Assemblée Nationale (1848–1850) vererbte Martinique seine Büchersammlung, die leider einem Großbrand zum Opfer fiel.
Street Art mit Rissen im Mauerwerk
Im Dezember ist die jährliche Regenzeit, in der es zu Zyklonen kommen kann, zu Ende und bei einem Bummel durch Fort-de-France erfreuen farbenfrohe Häuser. In den Geschäften knallbunte afrikanische Wax-Stoffe, chinesische Billigkleidung und schicke handgenähte Kreationen, Modeschmuck und Kunststoffschuhen mit Highheels, Perücken und Haarteile zur Verlängerung oder zum Aufstecken.
Dazwischen bleiben die Blicke hin und wieder an bemalten Hauswänden kleben: Ein drei Etagen hohen Papagei mit schillernd grünem Gefieder und daneben eine Karavelle wie vielleicht Christoph Kolumbus sie segelte, als er am 15. Juni 1502, dem Sankt-Martinstag auf Martinique anlegte. Ein folgenschweres Datum. Die Botschaft der Street Artists hier lautet „Amazona Martinicana – mort au combat au XVIII. s.“, der Regenwald fiel in den Schlachten des 18. Jhs. zum Opfer. Unterhalb rotiert ein Kolibri vor einem Fenster mit aufgeklappten Holzläden – auf einer Illusionsmalerei. Immerhin liefert der Regenwald doch noch Inspiration.
Die Street Artists nehmen in Fort-de-France sozialkritische Themen durchaus künstlerisch aufs Korn. Eine Frau, eine Bananenstaude bilden einen Blickfang. Daneben steht in einem Rahmen in den Farben der französischen Flagge geschrieben: CollectiF des ouvriers/ères (wohlgemerkt gegendert) empoisonnée au chlordecone ENDOMETRIOSE. Die Hauswände in Fort-de-France sind eine Open-Air-Gallery, die man zu lesen verstehen muss. Das Pestizid, das auch die erwähnte Frauenerkrankung fördern soll, kam auf Martinique bis zum Jahr 1993 zum Einsatz, um die Bananenplantagen vor dem Schädling Bananenrüssler zu retten.
Doch die schwer abbaubare Chemikalie, der Eigenschaften wie dem Hormon Östrogen zugewiesen werden konnten, gelangte ins Grundwasser und in die Nahrungskette, auf Kosten der Gesundheit der Bevölkerung. Besonders exponiert waren die Plantagenarbeiterinnen, die sie mit Handschuhen, aber ansonsten ungeschützt am Boden zwischen den Bananenstauden auslegten. Nun wird Wiedergutmachung für das viel zu späte Verbot des Pestizids gefordert, darunter auch die später aufgetretenen Krebserkrankungen als Berufskrankheit anzuerkennen.
Frühere Versäumnisse lassen sich nur schleichend langsam aufholen und werden manchmal zumindest verarbeitet. So gibt es auch zeitgemäße Ansätze, den sozialen Wohnungsbau zu verbessern.
Das Projekt Bon Air Ecoquartier Caribéen ist das erste Ökoquartier, das in Fort-de-France entsteht: 500 neue Wohnungen nach sozialen und ökologischen Konzepten, als Muster für auch künftig mehr Nachhaltigkeit im Städtebau. Das Viertel Terres-Sainville hingegen entstand als erste Vorstadt an der Peripherie. Nachdem der Vulkanausbruch von 1902 die Bevölkerung von Saint-Pierre teils getötet, teils vertrieben hatte, ließen sie sich hier auf trockengelegtem Sumpfgebiet nieder. So entstand ein Viertel der Arbeiter, Handwerker und kleinen Leute.
Kokoskuchen und Freundschaftsbändchen
23, Rue Moreau de Jonnes, an einem Platz, dem Palmen und Tamarindenbäume Schatten spenden, steht der ehemalige Justizpalast. In dem denkmalgeschützten Kolononialbau zeigt ein Kulturverein ab und zu Ausstellungen. Schattige Bänke zum Ausruhen mit Blick auf eine Statue von Schoelcher.
Zuvor kann man die älteste Konditorei der Stadt in der Rue Victor Hugo 83 besuchen. Sie stammt aus dem Jahr 1906. Chez Surena backt nach alten Rezepten der Antillen und ist stadtbekannt für Kokoskuchen (gâteau au coco) mit hausgemachter Kokoskonfitüre, und Robinson, Brandteiggebäck mit Inselfruchtkonfitüre und knackig knuspriger Oberseite. Einfach mal probieren!
Dreh- und Angelpunkt für alle Touristen ist der Marché Couvert, die große Markthalle in der Rue Antoine Isambert (6–15 Uhr). Die Halle aus Glas und Stahl eröffnete 1885. Unter der Kuppel bieten vorwiegend Marktfrauen Obst, Gemüse, Gewürze, Punch, Sonnenhüte, Pareos und alles, was Martinique an lokaltypischen Produkten zu bieten hat.
Von Rohschokolade über Vanille, Muskat, Pfeffer und Zimt, frischem Ingwer und Kurkuma bis zu schwarzen Stoffpuppen, karierten Stoffpuppen – auf dem größten Markt der Insel gibt es eine Riesenauswahl für Mitbringsel und ein paar Imbissstände, die mittags an Tischen typische kreolische Gerichte servieren. Ein Lächeln, ein paar freundliche Worte, dann entwickelt sich direkt ein Gespräch mit den Verkäufer/innen und sie erlauben ein paar Fotos. Na also, wie wär´s mit einem Freundschaftsbändchen?
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INFOS
Office de Tourisme Fort-de-France
29 rue Victor Hugo
97200 FORT-DE-FRANCE
www.tourisme-centre.fr
Interessant: Broschüren auf Englisch zum Download und Übersicht zu den Stadtführungen
Tropiques Atrium
6 Rue Jacques Cazotte
Kulturzentrum für Kino, Theater und Konzerte, mit Café, die Adresse für kulturelle Events