Camargue: Gastfreundliche Stierzüchter

Karine und ihr Mann Jean-Claude Groul führen in der Petite Camargue bei Aigues-Mortes ein Stierzüchterleben wie aus dem Bilderbuch. Und das teilen sie gern mit Besuchern, die sie zu Pferd in die Arbeit mit den in Halbfreiheit lebenden Stieren einweihen. Wie viele Familienbetriebe hat sich auch dieser für den Tourismus geöffnet, um zu überleben.

Von Petra Sparrer

Bei meinem Besuch habe ich einen kleinen wütenden Stier gefilmt.
Und hier ein Eindruck von der Arbeit der Camargue-Hirten.

In der kleinen Arena seines Hofs führt Jean-Claude Groul einer Besuchergruppe einen seiner jungen Stiere vor. „Wenn die Tiere ein wenige gereizt sind, zeigen sie am besten, was in ihnen steckt“, freut sich der Züchter. Die kleine Arena dient auch zum Training und zur Pflege der Tiere, und hier bekommen sie ihre Brandzeichen. Die sogenannte Ferrade ist in der Camargue seit Jahrzehnten ein geselliges Ereignis mit Musik und Gästen.

Ein Stier in einer Arena in der Camargue verfolgt seiner Züchter.
Jean-Claude Groul versteht das Verhalten seiner Tiere, als gehöre er selbst zur Herde. Foto: PS

Manade de Saint-Louis: Gäste willkommen

Stierzüchter Jean-Claude hat seinen Hof Manade de Saint-Louis und 200 ha Land bei Vauvert zwischen Aigues-Mortes und Les Saintes-Maries-de-la-Mer von seinem Vater übernommen. Er hieß auch Jean-Claude, war vor einem halben Jahrhundert mal Arena-Direktor in Le Grau-du-Roi, kaufte dann einen Hof und begann mit der Landwirtschaft. Er probierte es zuvor mit Wein und Spargel, doch seine Passion für Stiere nahm überhand. So begann er mit der Zucht von Camargue-Stieren, die von den Arenen für Courses Camaguaises, die regionalen Stierrennen gemietet werden.

Im Schatten von Platanen: das Landhaus Mas de la Paix der Manade Saint-Louis. Foto: PS
Gästezimmer und eine große Terrasse – wohnen beim Stierzüchter. Foto: PS

Sohn Jean-Claude und seine Frau Karine treten heute in die Fußstapfen des Vaters, unterstützt von Mutter Eliane, Schwester Laurence und Sohn Benjamin. Besonders Eliane, die von Anfang an dabei war, weiß was schwere Arbeit bedeutet. Aber sie liebt ihren Beruf, was sie Besuchern auch liebend gern vermittelt. Als ich hier vorbeischaute, fuhr sie selbst den Traktor, der den Anhänger mit einer großen Besuchergruppe auf die Stierweide zog.

Eins nach dem anderen: Aufsatteln, Sattelgurt festziehen, Lagebesprechung und im Galopp zu den weidenden Stieren. Karine Groul ist eine routinierte Camargue-Hirtin.

Eliane ist die gute Seele in atmosphärischen Landhaus Mas de la Paix. Auf der Terrasse spenden hohe Platanen Schatten. Fünf Gästezimmer im Haus eingerichtet, drei Doppelzimmer und drei für Familien. Gäste können den Führungen und Events teilnehmen. In einer offenen Scheune finden um die 100 Gäste Platz. Hier werden im Sommer manchmal auch Hochzeiten ausgerichtet, Platz genug für überschwengliche Feste.

„Ohne Gäste in größerem Maßstab könnten wir unsere Herde mit um die 150 Tieren nicht halten“, erklärt Karine und hebt den Sattel auf ihr Camargue-Pferd. Im hellen Pferdefell glänzen kleine dunkle Punkte wie Sommersprossen. Beim Reiten ist sie traditionell gekleidet wie eine Gardianne (Camargue-Hirtin), und hat zugleich das Organisationstalent und die Kontakte einer modernen Event-Managerin.

Eliane, die Mutter des Züchters am Steuer des Traktors, der den Anhänger mit schaulustigen Gästen zieht. Zu Fuß ist es zu den Stieren zu weit. Foto: PS

Ferrades – mythische Geselligkeit am Feuer

Gemeinsam mit ihrem Mann ist Karine für um die 150 Stiere und eine Handvoll Pferde verantwortlich. Die Stiere und Kühe leben das ganze Jahr über draußen. Jährlich erblicken 15 bis 20 Tiere das Licht der Welt, die im ersten Jahr ein Brandzeichen bekommen. Der kurze Schmerzmoment, in dem ein Eisen Geburtsjahr und Besitzer in das Fell der Tiere brennt, heißt Ferrades. Die Stierzüchter der Camargue haben daraus schon früh ein Ereignis an lauen Sommerabenden gemacht, mit vielen Zuschauern, einem Festmahl und Volksliedern der gitans, wie die Roma hier genannt werden. Im Juli und August setzt auch Familie Groul die gesellige Tradition inzwischen auch ohne eine Ferrade einen Abend in der Woche fort.

Eliane erinnert sich an die Anfänge in den 1960ern, als es noch völlig selbstverständlich war, dass Roma zu den Ferrades kamen, um das Ende eines arbeitsreichen Tags zu feiern: „In der Gegend schrieben die Leute Schilder und stellten sie an den Straßenrand und so kamen spontan meist um die 60 Leute zusammen.“

Die Besuchergruppe bekommt Erklärungen vom Stierzüchter zu Pferd. Foto: PS

Die Arbeit der Carmague-Hirten

Elinae startet den Traktor; Sohn Jean-Claude, auf seinem Pferd nebenher galoppierend, ruft den etwa 25 Gästen auf dem Hänger erklärende Worte zur Arbeit auf dem Hof zu: „Je nach Jahreszeit treiben wir unsere Tiere auf eine sumpfigere, feuchtere oder eine trockenere Weide. Im Winter bringen wir ihnen Heu in einen windgeschützten Pinienwald.“

Karine, Jean-Claude und seine Schwester Laurence, die noch den Sattel besitzt, den ihr Vater ihr als Kind schenkte, sind die Gardians (Hirten) ihrer eigenen Herde. Sie reiten wie Cowboys und Cowgirls im typischen Carmargue-Stil. Auf ihren wendigen Camargue-Pferden spüren sie ihre die den oft sehr weit von den Straßen entfernt weidenden Stierherden auf. Mindestens zu dritt kreisen sie die Herde ein, wenn sie an einen anderen Ort getrieben werden soll, oder trennen ein einzelnes Tier oder zwei aus der Herde.

Typischer Vertreter der raço di biou. Markenzeichen: die Hörner. Foto: PS
Jean-Claude Groul zu Pferd, eine freie Hand zum Stiere vorwärts treiben. Foto: PS

Für die Vorführung geht es nur ein paar 100 Meter hinaus ins Gelände vor dem Haus. „Da drüben weiden unsere wertvollsten Stiere. Wir vermieten sie an die Arenen,“ ruft er der Gästegruppe zu. Die Kühe kalben im Januar und die Stiere wachsen vier Jahre in Halbfreiheit auf. Nicht alle der Neugeborenen eines Jahrgangs erwartet dasselbe Schicksal. „Unsere Gardians sichten und sortieren regelmäßig die Herden und schauen nach tauglichen Tieren, die wir für die Course Camarguaise in der Arena trainieren. Gute Stiere, die mit 12, 13 Jahren am Höhepunkt ihrer Karriere stehen, sind das Kapital einer Ranch.“ Karine treibt im Galopp vier Tiere auf die Gästegruppe zu. „Das da sind Kühe,“ erklärt Jean-Claude.

Raço di biou – echte Camargue-Rinder

Und sehr gern spricht er über den Unterschied zwischen der regionalen, in der Camargue beheimateten Stierrasse und den spanischen Stieren. „Unsere Camargue-Stiere haben lange, schwungvoll nach oben gebogene, leicht spitz zulaufende Hörner. Die spanischen Corrida-Stiere haben kürzere, zur Seite gerichtete Hörner. Sie können über 600 kg schwer werden, während unsere kleinwüchsigeren, grazileren Tiere nur etwa die Hälfte an Gewicht auf die Waage bringen.

Hier defiliert der Nachwuchs mit glänzendem Fell und geschmeidigem Muskelspiel. Foto: PS

Jean-Claude und seine Familie züchten aus Traditionsbewusstsein, Identitätspflege und für die Stierrennen. „Klar, Tiere, die nicht das Zeug für die Arena haben, schlachten wir auch, wenn sie mindestens sechs Jahre alt sind.“ Gästen empfiehlt er, zu einer Course Camarguaise zu gehen. „Die intelligentesten Stiere haben bei uns Kultstatus. Sie sind regional bekannte Stars und bringen dem Züchter nicht nur Geld, sondern auch Ruhm, Ehre und Bekanntheit ein.

Fotostrecke

Erst mal die Pferde holen, dann reiten, das Handy immer dabei. Mindestens drei Reiter holen die Stiere in die Arena. Alle sieben Fotos: PS

Gardianne de Taureaux: nur in der Camargue und bio

Dank der natürlichen Haltung der Tiere, die sich von Gras, Schilf, Salzkraut und Bockshornklee ernähren, ist ihr Fleisch bio und enthält weniger Fett als anderes Rindfleisch. Wer die regionale Spezialität Gardianne de Taureaux mit in Rotwein mit Kräutern mariniertem und stundenlang geschmortem Stier- oder Rindfleisch probieren möchte, kann das nur in der Camargue, in Nîmes oder in Montpellier, nicht aber in Paris oder gar im Ausland. Denn das Fleisch der Camargue-Rinder hat eine kontrollierte Herkunftsbezeichnung und wird nur an die Restaurants der Region geliefert.

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INFOS

Manade Saint-Louis an der D 58 zwischen Vauvert und Les Saintes-Maries de la Mer

Weitere Möglichkeiten, Stierzüchter zu besuchen: Camargue

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