Lichterfest Lyon: Ab dem 8. Dezember beginnt mit der Fète de Lumière für die Stadtbewohner von Lyon eine Herzenssache mit langer Tradition. Vier Tage lang inszenieren internationale Künstler moderne Lichtinstallationen an historischen Fassaden. Und die Bewohner stellen kleine Lichter in ihre Fenster. Zum Dank dafür, dass ihre Stadt vor der Pest bewahrt wurde. Emotionale Abende sind garantiert.
Von Petra Sparrer
Im Windschutz der Passagen drängen sich die Menschen vor Ständen für Glühwein (vin chaud). Bei Einbruch der Dunkelheit herrscht Anfang Dezember Feierstimmung. Die Lyoner haben sich schon Tage zuvor für ihr Lichterfest verabredet. Kunstvolle Lichtinstallationen setzen ihre Sehenswürdigkeiten zwischen Rhône und Saône in Szene.
Die Fassade der Kathedrale St-Jean mit ihren 350 gotischen Skulpturen an den Portalen scheint in ein flimmerndes Kleid gehüllt. Projektionen mit Ton und Musik, 3-D-Animationen und Lasershows sind auf Lyons Lichterfest mit von der Partie. Die Menschen kommen von den zwei Hügeln Croix-Rousse und Fourvière hinab in die City, oder steigen genau dort hinauf, um das Ballett der Lichter und ihre Spiegelung auf den Flüssen von weit oben zu betrachten.
Lichtspektakel und Kulinarisches
Alles ist in Bewegung, um durch die Stadt zu streifen, alte Freunde zu treffen, sich auszutauschen. Plätze verwandeln sich spontan in Tanzflächen, Kunstgalerien und Ateliers zu Treffpunkten. An diesem Abend sind in der kulinarischen Hochburg mit einer Rekorddichte an Sternerestaurants lokale Spezialitäten, Sandwiches mit Lyoner Wurst und Suppen draußen zu haben. Schließlich will niemand die Shows verpassen und die Stadt endlich mal wieder in ein anderes Licht getaucht sehen.
Das Riesenrad an der Place Bellecour, die Projektionen an den Fassaden an der Place des Jacobins und an den Häusern der großen Place des Terreaux mit dem Rathaus sind Publikumsmagneten. Das Viertel La Guillotière und die Passage Thiaffait in La Croix Rousse geben sich eher alternativ, der Innenhof des Musée Gadagne ist dagegen ein verstecktes, eher stimmungsvolles Highlight im Vieux Lyon.
Renaissance-Architektur in anderem Licht
Dabei schimmert die Altstadt, Frankreichs größtes zusammenhängendes Renaissanceviertel, tagsüber an 365 Tagen im Jahr in dezenten Rosa- und Ockertönen. Und abends setzt Lyons vorbildliches Beleuchtungskonzept auch das ganze Jahr über emotionale Akzente. Nicht nur Romantiker und Fotografen bewundern hier die Gebäudefassaden.
Das gibt es nur beim Lichterfest Lyon: Wechselnde Lichtstimmungen im Innenhof des Musée Gadagne. Lyons Museum für Kunst-, Stadtgeschichte und Marionetten ist in drei einstigen Renaissancepalais der Altstadt untergebracht. Drei Fotos: PS
Das Lichterfest ist »nur« der Höhepunkt einmal im Jahr, gesellschaftliches Event und in normalen Zeiten Touristenmagnet. In den Jahren vor der Covid-19-Pandemie kamen regelmäßig vier Millionen Besucher ins Zentrum von Lyon, um sich rund 70 Lichtshows anzuschauen. Veranstalter ist die Stadt in Zusammenarbeit mit Sponsoren.
Lyons Lichterfest auch in Leipzig
Der zusätzliche Energiebedarf für die Lichtinstallationen von Lyons viertägigem Lichterfest lag im Durchschnitt bis 2020 im vierstelligen Bereich, bei um die 5000 bis 6000 Euro. Die Organisation und Regulierung der Besucherströme kosteten 2,5 Millionen Euro. Einmal im Jahr räumt die auf Nachhaltigkeit bedachte Stadtpolitik der positiven Bilanz des Lichterfests für Tourismus und Lyons Strahlkraft in Form von internationalem Prestige Priorität ein – und denkt nicht ans Strom sparen.
Lyons Partnerstadt Leipzig ließ sich von dem Konzept der tanzenden Lichter in Lyon inspirieren. Dort wird seit 1989 einen Tag später, nämlich mit Absicht am historischen deutschen Datum des 9. Oktober, das Lichterfest gefeiert. Seit 1989 hat Lyon auch als erste europäische Stadt einen plan lumière, ein Beleuchtungskonzept, um das historische Kulturerbe besser zur Geltung zu bringen. Über 250 raffiniert illuminierte Gebäude hellten bereits damals das neue Abendgesicht der Stadt auf. Ab 2004 gab es dann in Erweiterung auch Beleuchtung für Brücken, Plätze, Straßen und Durchgangspassagen.
Lyons Beleuchtungskonzept als internationale Inspiration
Und das smarte Beleuchtungskonzept der heutigen Smart City Lyon hat schnell international Schule gemacht. Es ist dezent, energieeffizient und wird ständig nach neuesten technologischen Erkenntnissen weiterentwickelt und in Pilotprojekten getestet. St. Peterburg, Havanna, Marrakesch, Kuala Lumpur und andere Städte nahmen sich ein Beispiel.
Bereits seit 2002 sind Vertreter der Licht-Pionierstadt Lyon Vorsitzende des Netzwerks Lightning Urban Community International (LUCI). Mitglieder sind unter anderem über 300 Unternehmen, die an Lichttechnik tüfteln. Parallel zum Kunstevent des Lichterfests, das auch dem Nachwuchs Gelegenheit gibt, kreative Ideen weiterzuentwickeln und zu zeigen, gibt es jedes Jahr zum Lichterfest Lyon ein Treffen der Licht-Fachleute beim Lyon Light Festival Forum.
Poetisch, magisch, bunt, aber auch voll wird es beim Lichterfest schon ab 18 Uhr. Schon lange im Voraus ausgebuchte Stadtführungen laufen auf Hochtouren. Auch Ordnungskräfte und Polizei haben eine Arbeitsspitze, denn an neuralgischen Punkten heißt es: Verkehr regeln und Menschenströme kanalisieren. Zu den Hochzeiten des Fests herrschte der größte Andrang der um die 70 Installationen an vier Tagen an der zentralen Place des Terreaux. Alles perfekt getaktet: Alle zehn Minuten öffnen die Barrieren, um einen Schwung Menschen für die Ton-Licht-Schau einzulassen. Wegweiser lotsen zum Ausgang (»sortie«) in der polizeilich verordneten Verkehrsrichtung (»sens de la circulation«).
Lichterfest Lyon: die Ursprünge
Riesengroß war die Enttäuschung der Lyoner als 2020 die Pandemie das Lichterfest ausbremste. Seit 2022 nimmt es wieder an Fahrt auf, noch immer mit weniger Besuchern und Installationen und Hygienemaßnahmen. Zuvor hielt die Stadt nur einmal 2015 den Atem an, denn auch nach den Pariser Attentaten am 13. November fiel Lyons Lichterfest aus. Das heißt die Lichtkunst und das Programm fielen aus.
Stattdessen stellten die Stadtbewohner umso mehr Kerzen und Lichter (»lumignons«) in ihre Fenster. So wie früher, seit es das Fest gibt. Sie erhellen traditionell an den Festtagen das Dezembergrau und die Nacht. Und symbolisieren: Hier lässt sich niemand schnell unterkriegen, schon gar nicht von einer Pandemie. Weiß doch jeder Bewohner: Die Jungfrau Maria bewahrte die Stadt schon einmal vor der Pest. Im Jahr 1643. Seither ist sie Lyons Schutzpatronin.
Mit Kerzen gegen eine Pandemie
Die Basilika Notre-Dame de Fourvière ist das Wahrzeichen des Lyoner Marienkults. Im Jahr 1852 wollten sie endlich ihr Gelübde einlösen, der Jungfrau ein Denkmal zu setzen. Am 8. September wollten sie auf den restaurierten Turm der Wallfahrtskapelle von 1643 eine 5,60 m hohe, vergoldete Bronzeskulptur setzen. Sie stammte von dem seinerzeit renommierten Victor Fabisch, dem Bildhauer der Muttergottes in der Grotte von Lourdes. Doch wegen Überschwemmungen seines Ateliers am Fluss Saône musste das Vorhaben auf den 8. Dezember verschoben werden.
An diesem Tag gewitterte es heftig. Die Statue wurde zwar geweiht, doch die Festlichkeiten mussten abgesagt werden. Aber in der Dämmerung klarte es auf und ein Regenbogen wölbte sich über der Stadt. Ein göttliches Zeichen, dachten die Menschen und stellten ihre Kerzen auf die Fenstersimse. Deshalb feiert Lyon seit 1852 jedes Jahr am 8. Dezember sein Lichterfest.
Herzenssache: Les Lumignons du Coeur
Und darum beten Gläubige bei ihrer Wallfahrt mit Laternen zur Basilika Notre-Dame de Fourvière auf dem Serpentinenweg durch den Jardin du Rosaire an jeder Messingrose ein Rosenkranzgebet. Der Weg führt auf den gleichnamigen Hügel zur kalksteinweiß über der Stadt thronenden Basilika und zur schönsten Aussichtsplattform über Lyon. Wer gut zu Fuß ist, nimmt am Lichterfest wie die Wallfahrer den Weg durch den Park statt die zur Metro gehörenden ficelle, eine Seilbahn, die in etwa in Höhe der Kathedrale in der Altstadt startet.
Ob das Fest stattfinden kann oder nicht, ob die Menschen draußen herumlaufen oder lieber zu Hause im Warmen bleiben, das Licht im Fenster ist Herzenssache. Die Initiative Les Lumignons du Coeur kommt auch ohne Volksfeststimmung und Spektakel aus, dreht sich aber ums Essen. Sie geht auf eine Idee des Studenten gegründeten Verein GAELIS zurück, die es jedes Jahr schafft, Zehntausende von Euro zu sammeln, damit in solidarischen Lebensmittelläden Mahlzeiten an Bedürftige verteilt werden können.
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Infos
Lyon Lichterfest Fète des Lumières
Zu internationalen urbanen Beleuchtungskonzepten:
Lightning Urban Community International
Touristeninformation, Unterkünfte, Stadtführungen:
Office de Tourisme Lyon
Foto links: Passage Thiaffait, Hochburg des Mode- und Designnachwuchses beim Lichterfest in Lyon