Belfort, die quirlige Hauptstadt des Territoire de Belfort, eines der kleinsten französischen Départements, steht an Pfingsten im Zeichen des Musikfestivals FIMU. Ein fantastisches Erlebnis mit toller Stimmung auf Straßen und Plätzen und vielfältigen musikalischen Genres, nur zwei Autostunden von Freiburg entfernt. Organisiert von Studenten, mit Mitwirkenden aus vielen Ländern. Les Eurockéennes, immer im Juli, gehören zu den größten Rockmusikfestivals in Frankreich. Und 2022 feiert das Territoire de Belfort seinen 100. Geburtstag und bietet noch mehr festliche Besucherhighlights.
Von Petra Sparrer
Pfingsten: Das FIMU für Musikliebhaber aller Genres
Kostenlose Konzerte – in den vergangenen Jahren waren es meist über 200 – in der Altstadt, im Théâtre Granit, auf vielen Plätzen der Altstadt, am Fluss Savoureuse und unterhalb der Festung mit dem Löwen. Auch Ohrenstöpsel gibt es gratis. Es kann laut werden. Am meisten kesselt es am späteren Abend, wenn zu Füßen der Zitadelle mit dem Löwen als Freiheitssymbol gerockt wird. Für das internationale Festival für Amateurmusiker diverser Musikrichtungen und Genres, das FIMU (Festival International de Musiques Universitaires), das Belfort an fünf Tagen an und um Pfingsten in Atem hält, belebt und beseelt, leisten die Stadt, Studentenvertreter und Hunderte ehrenamtliche Helfer unglaubliche Organisationsarbeit.
Diversität und ganz
viel Gänsehaut-Feeling
Auf rund 23 Bühnen, darunter in der roten Sandsteinkathedrale, die dem heiligen Christophorus geweiht ist, und in der restaurierten, eleganten Salle de Fête in einer ehemaligen Reithalle von 1766, treten Bands, Nachwuchsmusiker, Uniorchester und -chöre auf. Als ich 2019 das FIMU besucht habe, waren 1400 Gastmusiker aus 38 Ländern gekommen. Wenn es im gemütlichen Zentrum so voll wird, bringen Shuttlebusse Besucher von den Parkplätzen über die Savoureuse bis zur Place de la République im Zentrum.
Jedes Jahr steht ein Instrument im Fokus des Programms: 2019 war es das Klavier. Als Pate des Festivals kam der französische Pianist André Manoukian. Auch wenn die Pandemie die Zahl der Gäste und Musiker gedrosselt hat: Die Stimmung bleibt Gänsehaut und Diversität wird weiterhin großgeschrieben.
Nach dem ersten Schock, weil sie ausfallen musste, waren 2021 vom österreichischen Donau-Streichquartett bis zu Italo-Pop mit Aquarama wieder Vertreter vieler Länder zu Gast, und trugen Masken. Dieses Mal vertrat Patin Flavia Coelho, geboren in Rio de Janeiro, den Ehrengast Brasilien.
Bachar Mar-Khalifé, Schirmherr des 35. FIMU 2022
Für die 35. Auflage des Festivals im Jahr 2022 wird der in Beirut im Libanon geborene Bachar Mar-Khalifé Schirmherr des FIMU, ein vielversprechender französisch-libanesischer Sänger, Komponist und Multi-Instrumentalist. Eine passende Wahl für ein Festival, auf dem Gäste jedes Jahr klassische Musik sowie Welt- und Gegenwartsmusik erleben können.
Bachar Mar-Khalifé stammt aus einer Musikerfamilie, floh schon als Kind aus dem vom Krieg gebeutelten Libanon und lebt in Paris, wo er sein Studium am Musikkonservatorium abschloss. Eine seiner Musik-Masterclasses im Rahmen des Festivals ist öffentlich. Sein Sound und seine Kompositionen vereinen Avantgarde und Orientalisches, Zirkus und Kino, Chanson, Elektro und Hip Hop. Er kollaborierte mit Musikern verschiedener Richtungen wie Jeanne Cherhal oder Christophe (Chanson), Le Chapelier Fou (Elektro) und Kery James (Hip-Hop).
Streifzug mit Charme
Authentische Begegnungen mit den Bewohnern jenseits des Festivals und Selbstverpflegung mit lokalen Produkten – dazu ist die Markthalle Jules Ferry der richtige Ort. Das Bauwerk von 1905 verströmt bis heute den Charme der Jahrhundertwende. Es stammt vom Pariser Unternehmen Schwartz-Meurer und dem Architekten Eugène Lux, der auch bei der Gestaltung der Salle de Fête seine Hand im Spiel hatte. Buntglas, Stahl und Eisen, Stein, Ziegel und Keramik gehen hier eine damals hochmoderne und heute so nostalgisch anmutende Allianz ein. Und einen kompletten Szenenwechsel, aber trotzdem Grund zur Nostalgie verspricht das Vieux Garage Café, das früher mal eine Autowaschanlage war.
Belforts Löwe, entworfen vom Schöpfer der Pariser Freiheitsstatue
Gäste wie Bewohner machen sich, wenn sie durch die Straßen gehen, immer wieder einen Spaß daraus, nach dem Löwen Ausschau zu halten. Den Bürgern des Territoire de Belfort sagt man ein ausgeprägtes Freiheitsbewusstsein nach und das Symbol für Freiheit ist hier der Löwe. Verewigt ist er nicht nur an der Zitadelle, sondern an Brunnen, Hauswänden, Fensterstürzen. Und das kam so: Die wehrhafte Vauban-Zitadelle, die Sonnenkönig Ludwig XIV. im 17. Jahrhundert ausbauen ließ, bot der Bevölkerung bei Belagerungen Zuflucht. Im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 trutzte sie lange 103 Tage der preußischen Armee. Der tapfere Widerstand wurde belohnt, anders als das restliche Elsass blieb Belfort damals Französisch. Als Symbol für Stärke und Freiheitsdrang schuf Frédéric Auguste Bartholdi, von dem auch die Pariser Freiheitsstatue stammt, als Wahrzeichen von Belfort einen monumentalen Löwen aus rotem Vogesensandstein. Bis heute wacht er oben von der Zitadelle über die Stadt. Mit elf Metern Höhe und 22 Metern Länge ist der das größte Exemplar des Königs der Tiere in der löwenstarken Stadt.
Jubiläumsjahr 2022: Das Territoire de Belfort wird 100 Jahre alt
Belfort und seine Umgebung, das Territoire de Belfort, gehörte bis 1871 wie das gesamte Gebiet im Südwesten zum Elsass. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg zählte Elsass-Lothringen laut Vertrag von Frankfurt zum Deutschen Reich. Aber ausgespart wurde das 609 km² große, französischsprachige Gebiet um Belfort, das wie ein Löwe Widerstand geleistet hatte. Unter dem Namen „Territoire de Belfort“ bekam es 1922 seinen ersten Präfekten.
Dieses Geburtsjahr wird 2022 das ganze Jahr durchgefeiert, und der Löwe brüllt auch auf einer Briefmarke. Zu den Geburtstagsevents gehört die nachgestellte Belagerung der Stadt von 1870/71 am Wochenende des 22. bis 24. Juli und im August zahlreiche abendliche Feuerwerke nach unterhaltsamen Tagen in sieben Gemeinden um Belfort. „Confluence“ heißt das historische Spektakel, das am See Malsaucy mit einer spektakulären musikalischen Show ein Jahrhundert Geschichte in Szene setzt.
Eurockéennes: Woodstockflair auf der Halbinsel Malsaucy
Über Frankreichs Grenzen hinaus bekannt ist Belfort für ein jährliches Musikevent im Juli. Les Eurockéennes de Belfort gehören zu den größten Rockmusikfestivals in Frankreich. Auf der Halbinsel Malsaucy kommt Woodstock-Flair auf. Rund 7 km vom Zentrum ist sie über einen Radweg zu erreichen.
David Bowie, Amie Winehaus und Daftpunk schrieben hier schon Festivalgeschichte. Vier Bühnen, genug Platz für Zelte, euphorische Stimmung – selbst im Regen sind die Eurockéennes ein Highlight. Und sie haben ein Umweltlabel. Den Rest des Jahres ist die Halbinsel eine Naturoase zwischen zwei Seen. Angler und Badegäste, Wassersportler und Vogelbeobachter und Familien nutzen sie gern als Ziel der Naherholung. Ein Umwelthaus informiert über Workshops, Erlebnispfade und Rastplätze für Zugvögel. Und es gibt ein Open-Air-Kino.
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INFOS
- FIMU (Festival International de Musiques Universitaires)
- Les Eurockéennes de Belfort
- Touristeninformation
- 100. Geburtstag des Territoire de Belfort, historische Infos und das Sommerprogramm