Montbéliard: Deutsche Kultur

Auf den Spuren deutscher Kultur zwischen Jura und Vogesen in Ludwigsburgs Partnerstadt Montbéliard: Vom Einfluss und Kunstsinn der Württemberger zeugen das Museum im herzoglichen Schloss, Frankreichs größte protestantische Kirche, der Temple Saint-Martin von Heinrich Schickardt, der Mömpelgarder Altar und der Weihnachtsmarkt.

Von Petra Sparrer

Fachwerk und Pastellfarben prägen die Häuser der gemütlichen Stadt Montbéliard, mit deutschem Namen Mömpelgard, etwa 90 Kilometer von Freiburg und in der Nähe der Schweiz. Sie entwickelte sich zu Füßen einer befestigten Burg ab dem 10. Jahrhundert. Die Herzöge von Württemberg bauten sie ab 1397 zu einem Schloss aus. Heute ist das Schlossmuseum Musée du Château des Ducs de Wurtemberg ein Museum für Kunst, Archäologie und Geschichte.

Pastelltöne als Stimmungsaufheller an Montbéliards Häusern Foto: PS

Am Anfang eine deutsch-französische Ehe

Auf einem felsigen Hügel in der Franche-Comté bietet das Schloss der Herzöge von Württemberg einen tollen Blick über die Dächer von Montbéliard und das Umland. Der Weg zum Eingang des Schlossmuseums führt an einem pyramidenförmigen Gedenkstein vorbei. Er erinnert an die Hochzeit von Gräfin Henriette von Montbéliard und Herzog Eberhard von Württemberg im Jahr 1397. Sie war der Auftakt zu 400 Jahren württembergischer Präsenz im Pays de Montbéliard, und zu einer engen Beziehung zum deutschen Nachbarn bis heute. In den Köpfen der Kinder ist die wohltätige Gräfin Henriette als Gestalt einer örtlichen Legende um die „Tante Airie“ bekannt. Angeblich kommt sie als Bauersfrau mit ihrem Esel voller Geschenke auf den hiesigen Weihnachtsmarkt »Lumières de Noël«.

Turm mit Aussicht Foto: PS
Hirschenden und Fische im Wappen Foto: PS

Protestantische Mäzene von Kunst und Architektur

Die herzogliche Festungsanlage mit zwei Gräben ließ die Fürstenfamilie im Verlauf der Zeit zu einer ihrer Lieblingsresidenzen ausbauen: Sie entwickelte sich von einer Verteidigungsanlage zu einem Schloss der Schönen Künste. Sowohl aus der Zeit von Henriette als auch ihres Nachfahren Frédéric, 1557 in Mömpelgard geboren, sind Türme mit imposanten dicken Mauern erhalten. Montbéliards goldene Fische (Barben) auf rotem Grund und Württembergs schwarze Hirschstangen vereinen sich seit Graf Ludwig I., Sohn von Henriette und Eberhard, im Wappen Württembergs.

Friedrich I.: Im Schlossmuseum macht das Porträt eines unbekannten Künstlers mit dem Herzog von Württemberg bekannt. Foto: PS

Herzog Friedrich I. (1557–1608), sechster Herzog von Württemberg und Sohn von Graf Georg I. von Württemberg-Mömpelgard und Barbara von Hessen, war bereits ein Kind der Renaissance im 16. Jahrhundert. Als großer Humanist seiner Zeit förderte er die Verbreitung der Thesen Martin Luthers und den protestantischen Glauben. Um 1583 hielt die Reformation in seinem Herzogtum Einzug und im Pays de Montbéliard bildeten sich lutherische Gemeinden.

Friedrich I. war ein Mäzen für Kunst und Architektur. Mehrfach holte er den Stuttgarter Hofbaumeister Heinrich Schickhardt nach Montbéliard. Von ihm ließ er nicht nur sein Schloss erneuern, sondern auch seine Residenzstadt erheblich modernisieren. Um Schickhardts Vorzeigewerk, die protestantische Kirche Saint Martin, reihen sich im Dezember die Weihnachtsmarktstände. Allein von außen strahlt sie große Harmonie aus. Bei beliebten Konzerten erklingt ihre Orgel.

Historischer Rundgang durch das Schloss von Montbéliard Foto: PS

In Montbéliards Musée du Château des Ducs de Wurtemberg

Besucher im herzoglichen Schloss können heute durch Turmzimmer und helle, weiß getünchte Säle streifen, Porträts und Gemälde betrachten und sich bei Wechselausstellungen von regionaler und auch zeitgenössischer Kunst überraschen lassen. Originales Mobiliar, Objekte aus dem Besitz der Fürstenfamilie und fürstliches Ambiente gibt es auf dem historischen Rundgang (Circuit historique) zu entdecken, aber das ist längst nicht alles.

Stolz ist Montbéliard auf einen illustren Naturwissenschaftler. Georges Cuvier ist in Denkerpose vor dem Rathaus verewigt. Foto: PS

Schon 1943 zeigte das Schloss die erste Ausstellung von Jean Messagier (1920–1999), dessen von Paul Klee und Pop Art beeinflusste, aber dennoch höchst eigenständige Werke zu den Sammlungen der städtischen Kunstmuseen gehören. Einige waren schon auf der documenta in Kassel zu sehen und werden in Montbéliard immer wieder in Ausstellungen gezeigt. Naturkunde bildet im Schlossmuseum einen der Schwerpunkte. In mehreren Ausstellungsräumen begegnet man Georges Cuvier (1769­–1832), und auch den Themen der biologischen Evolution und der regionalen Fauna und Flora. Denn dieser Sohn Montbéliards hat es zu einem berühmten französischen Naturforscher gebracht. Er studierte in Stuttgart, lehrte später in Paris als Professor für Zoologie, verglich die Anatomie von Tieren und nahm auch Fossilien unter die Lupe. Im Museum ist sein Arbeitszimmer aus dem Pariser Muséum d’Histoire Naturelle originalgetreu nachgebaut. Schließlich ist er kein Geringerer als der Vater der modernen Paläontologie.

Archäologie ist in diesem Museum ebenfalls ein großes Thema. Zur Dauerausstellung gehören zum

Beispiel archäologische Fundstücke aus gallo-romanischer Zeit aus dem antiken Theater von Mandeure. Die Stätte lässt sich in der Nähe von Montbéliard im Pays de Montbéliard besichtigen. Das Theater gehörte zum antiken Epomanduodurum, wie Mandeure damals hieß. Es war das zweitgrößte Theater Galliens: Durchmesser von 142 m. Wo sich einst 18 000 Zuschauer Platz fanden, kann man manchmal ganz allein den Blick in die Landschaft genießen. Es ist frei zugänglich.

Je höher, je neuer: die Burgbefestigung Foto: PS
Vom Turm in den nächsten Saal Foto: PS

Auf den Spuren des schwäbischen Leonardo da Vinci

In Montbéliard kann man einem ausgeschilderten Weg zum Werk des württembergischen Architekten Heinrich Schickardt folgen. Bekannt ist er als Schreinermeister des Chorgestühls der Herrenberger Stiftskirche, Baumeister von Freudenstadt und rund 50 Schlössern. Der Weg startet an der Touristeninformation und ist 3 km lang. Zu den zwölf Haltepunkten gibt es dort auf Nachfrage einen Audioguide auf Deutsch. So lassen sich beispielsweise das Maison du Bailly, die ehemalige Universität, der Hof Souaberie, die Zugbrücke im württembergischen Stil, die protestantische Kirche Saint-Martin und der italienisch geprägte Stadtteil Neuveville bequem entdecken.

So etwas wie Schickardts Vorzeigewerk, den Temple Saint-Martin, gibt es nur hier: In Frankreich sind protestantische Kirchen, sogenannte Tempel, ohnehin eher in der Minderheit. Ihre Architektur ist spartanisch, das Innere schlicht, ganz anders als bei den meist üppig dekorierten katholischen Gotteshäusern. Und anders als in den Nachbarländern. Genau das macht sie so interessant.

Bei Führungen öffnet sich die oft verschlossene Kirchentür. Foto: PS
Temple Saint-Martin, ein Werk des schwäbischen Architekten Heinrich Schickhard Foto: PS

Der Temple Saint-Martin in Montbéliard entstand von 1601 bis 1604. Er gilt als die größte und älteste evangelische Kirche Frankreichs. Ihr Grundriss entspricht dem der Vitruvius-Basilika der Antike. Schickhardt verwirklichte in der Franche-Comté nach einer Italienreise die seinerzeit in Mode gekommene Renaissance-Bauweise des Cinquecento (toskanischer Kolossalstil). Bemerkenswert sind die Kassettendecke, Orgel und Wendeltreppe, spannend die Kopie des Mömpelgarder Altars – das Original steht heutzutage in Wien.

Der Mömpelgarder Altar: Bibelübersetzung in Sprechblasen

Im protestantischen Temple Saint-Martin veranschaulicht eine Kopie des Mömpelgarder Altars in Text und Bild Inhalte des Neuen Testaments. Der Altar besteht aus sechs klappbaren Seitenflügeln und 157 bemalten Tafeln. Das Original des Altarbilds auf Fichtenholz vom Herrenberger Maler Heinrich Füllmaurer stammt von etwa 1540 und gehörte noch Anfang des 17. Jahrhunderts zur Stuttgarter Sammlung des württembergischen Fürstenhauses. In den Wirren des Dreißigjährigen Kriegs geriet es 1634 in österreichische Hände und nach Wien. Dort ist es heute im Kunsthistorischen Museum ausgestellt. Eine Kopie erinnert seit 2016 vor Ort an das protestantische Meisterwerk aus Mömpelgard. Auf diese Idee kam man anlässlich des 500jährigen Reformationsjubiläums im Jahr 2017.

Fotografiert von der Kopie: Zwei Tafeln des Mömpelgarder Altars, den Heinrich Füllmaurer aus dem Schwabenland für die Württemberger malte. Foto: PS
Ein protestantisches Altarbild aus der Renaissance des 16. Jahrhunderts. Mit 157 bemalten Tafeln dieser Art lernten die Protestanten ihre Bibelbotschaften. Foto: PS

Das Werk mit Sprechblasen, die Zitate aus Luthers Bibelübersetzung enthalten, erinnert an einen Comic. Das Bilderverbot der Reformatoren war zur Entstehungszeit noch nicht in Kraft und das Wort hatte zur Verbreitung der neuen Lehre höchste Wichtigkeit, konnten doch schon viel mehr Menschen lesen als im Mittelalter.

Tipp: Gegenüber vom Temple Saint-Martin kann man auch das Musée de l’Hôtel Beurnier-Rossel in einem Stadtpalais am Platz besuchen. Das bürgerliche Interieur der Besitzerfamilie zählt ebenfalls zu den Zeugnissen des protestantisch geprägten Montbéliard.

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